Jetzt sammle ich Schallplatten.

Von einem, der vor 30 Jahren anfing, zu kaufen. Und erst vor kurzem lernte, zu sammeln.

Mit 15 lernte ich die Doors kennen. Mit 18 hatte ich alle 6 Alben. Und mit 19 fand ich in einem Plattenladen ein Doppelalbum, das ich noch nie gesehen hatte. «Bootleg» meinte der coole Verkäufer grinsend. Ich bestellte noch mehr. Ich konnte 4 Alben bezahlen, dann zog ich weg und meine Quelle versiegte. Das war 1983.

Mein erstes Bootleg 1981.

Fast 30 Jahre, ein Ebay, das Buch von Rainer Moddemann und 100 Bootlegs, 120 LP Varianten und Versionen sowie 50 Singles später: Ich dachte, ich sei ein Sammler. Ich dachte, ich hätte eine grosse Sammlung, ich dachte, ich hätte Raritäten.

Als das nationale Radio 2001 Plattensammler suchte, meldete ich mich. Eine halbstündige Sendung über die Doors und meine Sammlung wurde ausgestrahlt. Ich hielt mich für den König der Doors Sammler.

Bis ich Stefan traf. Stefan hat nicht nur das Dreifache meiner Sammlung. Das alleine ist es nicht. Es ist auch nicht so, dass er nur die teureren und selteneren Stücke hat. Er ist ein Sammler. Er führt Listen. Er ordnet, katalogisiert, bewertet und prüft. Er pflegt sein Netzwerk zu anderen Sammlern, schreibt, recherchiert und forscht. Er spart auf ein bestimmtes Stück. Er verliert auf eBay und trauert. Er schöpft Mut und macht weiter. Und er kennt sie alle, seine Kollektion ist sein Kind.

Ich war wie ein Schmetterlingssammler, der seinen Fang in eine Kiste wirft, zuklappt und mental ein Häkchen setzt. Manchmal war ich etwas erstaunt, wenn der Postbote etwas brachte, was mir bekannt vorkam. Inzwischen weiss ich, dass ich 13 Duplikate habe. Unabsichtlich. Ich Idiot.
Ich habe angesammelt, nicht gesammelt. Was für ein Unterschied.

Weihnachtsfeiertage 2013. Zwei Wochen Zeit. Eine Aufgabe: Katalogisieren meiner Sammlung.

Habe ich jetzt die Erstausgabe von 1969 aus den USA oder ist es die Neuauflage 1970? Identisches Cover, identischer Innenumschlag, identische Beschriftung, bis auf die Kratzschrift in der Auslaufzone der Schallplatte, die man nur bei ganz gutem Licht sieht. Der Unterschied liegt in der produzierten Menge, im Wert, in der Seltenheit.
Die Ausgabe eines Albums «Made in Germany» oder «Made in Costa Rica». Ein Aufkleber. Farbiges Vinyl. Der Zustand. Alles zusammen bestimmt die Attraktivität und den Grad des Begehrens eines Exemplars.

Ich habe jede einzelne Platte geprüft und auf Discogs kontrolliert, ob diese Scheibe mein Exemplar ist. Meistens war es einfach, ab und zu brauchte ich aber eine runde Stunde, bis ich alle Exemplare eines Titels bestimmt hatte. Noch aufwändiger war es, wenn mein Exemplar dort nicht verzeichnet war: Fotografieren, Tracklist, Label, herausgeber, Jahr usw. mussten alle erfasst oder recherchiert werden.Gelernt habe ich, dass Sammeln eine Leidenschaft im wahrsten Sinne des Wortes ist. Dass die ältesten Platten die ich habe, nicht selten oder wertvoll sind. Dass ich im Zweifelsfall immer die weniger seltene Ausgabe von zweien habe. Dass nicht alle Informationen im Web zuverlässig sind. Dass es mehr zahlungskräftige Sammler gibt, als man denken würde. Dass es insbesondere in Italien heute immer noch Leute gibt, die neue Vinyl-Bootlegs produzieren. Und dass meine Sammlung höchstens zwei Drittel von dem wert ist, was ich bezahlt habe.Ich habe aber auch eine faszinierende Welt kennen gelernt. Leidenschaftliche Fans und Sammler weltweit, das unglaublich interessante und vielfältige Sortiment der Musikproduktionen, die Unterschiede einer Platte von Ausgabe, Jahr, Land, Sprache und Herausgeber, und dass es eine Welt ausserhalb von Amazon oder anderen offiziellen Verkaufskanälen gibt.

Schallplatten zu sammeln, vor allem, wenn es nur von einem Interpreten ist, macht süchtig, bedient und befriedigt einige Triebe und macht doch nur kurzfristig glücklich. So gesehen ist Sammeln wie das Leben.

Welches ich mit niemandem tauschen möchte.

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