Serbien, die neue Fachkräfte-Supermacht.

Während in Mitteleuropa die (Boomer-) Fachkräfte demnächst pensioniert werden oder 50% der gut ausgebildeten Millennials gar nicht erst richtig ins Berufsleben einsteigen, weil sie als Mütter mehr Geld sparen als wenn sie für Lohn arbeiten gingen, sollte inzwischen bekannt sein. Das beste Angebot für kurzfristig verfügbare Fachkräfte haben wir aber kleingeistig  abgelehnt.

Derweil versammelt sich in Serbien, Georgien, ja sogar in Kasachstan seit einem Jahr die Fachkraft-Elite aus Russland. In einer Zeit, in welcher man viele berufliche Aufgaben auch online erledigen kann, kumuliert sich somit in den Fluchtländern eine hohe Anzahl an gut und hoch ausgebildeten jungen Leuten. 

Ein russisches Paar lernt Serbisch in Belgrad. Quelle: Deutsche Welle.

Ich will keinen Nazi-Vergleich machen, ich will einen Vergleich mit der Situation im zweiten Weltkrieg machen: Wo wäre die USA heute, wenn sie während und kurz nach dem zweiten Weltkrieg keine Flüchtlinge aus Deutschland aufgenommen hätte? Die USA wäre weder in Kunst, Kultur noch Wirtschaft eine Supermacht. Die Intelligenzia wanderte in die USA aus. Die kriegsverweigernden, mordverweigernden, vergewaltigungsverweigernden Russen aber, denen haben wir (der Schengen-Raum, die EU, die USA sowie Grossbritannien und die Schweiz) die Türe zugeknallt. Wir serbeln (kommt von da der Name „Serbien“?) wirtschaftlich lieber vor uns her als dass wir Leute aufnehmen, die vor einem Krieg fliehen. Schliesslich sind sie ja auf der falschen Seite der Grenze geboren – diese Argumentation kennen wir ja schon lange. 

Wer glaubt, dass die Leute sich in Russland ja auflehnen könnten, kennt das heutige Russland nicht. Während 20 Jahren hat Putin schleichend so gut wie alle demokratischen Rechte abgeschafft oder unter seine Kontrolle gebracht. Auch hier wieder gerne der Vergleich mit dem Dritten Reich: Wo waren denn die Millionen von Deutschen, die 1939 gegen den Einmarsch in Polen demonstriert haben, wo war die Opposition? Sie war – wie heute in Russland – mundtot gemacht oder im Exil. Oder im Lager. 

Die über 1 Mio. Russen und ihre Familien, die seit März 2022 geflohen sind, werden sich an die Gastfreundlichkeit des Westens erinnern. Sie werden sich daran erinnern, wie wir einerseits die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine behandelt und andererseits die Kriegsdienstflüchtlinge aus Russland aufgenommen bzw. nicht aufgenommen haben. 

Natürlich werden sie auch für den Westen arbeiten, in einer IT-Outsourcing-Firma in Belgrad, einem medizinischen Callcenter in Mazedonien, in einer Rüstungsfirma in der Türkei. Oder in China. Und sie werden gut verdienen, Steuern zahlen und ihre neue Heimat vorwärts bringen

Wir, der Westen, haben es verpasst, den Feinden unserer Feinde ein Angebot zu machen. Weder wirtschaftlich, humanitär noch kulturell haben wir uns seit 80 Jahren bewegt, im Gegenteil – wir sind noch beschränkter und hartherziger geworden. 

Und so haben wir es geschafft, dass benachbarte Schwellenländer wie Serbien, Montenegro, Nord-Mazedonien und die Türkei plötzlich über eine intellektuelle Macht verfügen, die wir eigentlich selber gebraucht hätten. Wir hätten nur ein bisschen menschlicher sein müssen. Und gescheiter.  

Hier ein paar Links:

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