Klingt seltsam, ist aber so. Denn heutzutage werden viele Neubauten und Totalsanierungen nicht erlaubt, weil es an dieser Lage zu laut ist. Und warum ist es zu laut? Wegen der Fahrzeuge mit Verbrennermotoren.
Ganz Schlaue sagen jetzt, dass Elektroautos nur mit einer Geschwindigkeit von unter 50km/h leiser sind. Das mag stimmen. Und ehrlich gesagt, sind es ja auch nicht die «normalen» Verbrenner, die das grosse Problem sind. Denn es ist erstens das Tempo, zweitens die Witterung, drittens der Belag, viertens die Reifen und erst dann kommt der Motor und die damit verbundene Fahrweise. Bei Tempo 50.
Worüber so gut wie nie gesprochen wird, ist die Beschleunigung oder der Lärm beim Stehen, z. B. an der Ampel oder am Kreisel. Bei der Beschleunigung ist ein Verbrenner natürlich viel lauter als ein Elektrofahrzeug. Ganz abgesehen von den Vibrationen der Dieselfahrzeuge bei langsamem oder gar stehendem Verkehr, der die Scheiben der Anwohner zittern lässt.
Und dann sind da noch die anderen Fahr- und Flugzeuge, über die irgendwie auch niemand sprechen mag. Private Propellerflugzeuge, LKWs, Busse, Traktoren, Motorräder, Oldtimer, Lieferfahrzeuge älteren Datums. Und natürlich legal oder illegal getunte Maseratis, Audis, BMWs etc.
Wenn man die alle zusammenzählt, dann kommt man an einem schönen Tag – je nach Ort – auf eine ganz erstaunliche Summe an lauten Fahrzeugen (die fossil angetriebenen Rasenmäher und Laubbläser stimmen dann in die Kakophonie auch noch ein). Und wenn es nicht so schönes Wetter ist, dann weckt einem der Grossverteiler-Diesel-Lastwagen oder der Bus (ja, auch öV macht Lärm) morgens um 5:25.
Zurück zur Wohnungsnot. Wie man Zeitungsberichten entnehmen konnte (die Links stehen unten), werden neue Wohnungen in zentralen Lagen oft nicht bewilligt, weil dort die Lärmschutzwerte übertreten werden. Dem könnte man begegnen, in dem man die entsprechenden Strassen für laute Fahrzeuge sperrt und Tempo 30 verordnet. Was ein lautes Fahrzeug ist, das muss und kann neu bestimmt werden. Auf alle Fälle darf es nicht nur nach dem Geräusch beim gleichmässigen Fahren gemessen werden, sondern nach der schnellstmöglichen Beschleunigung von 0 auf 50. Oder andersrum gesagt: Von Verbrennern fallen wohl 3/4 durch, egal ob 8 oder 2 Räder. Und siehe da, sobald die Strassen gesperrt sind, ist die Wohnlage auch plötzlich wieder bewilligungsfähig.
Damit würde man den Fahrzeugen, die anno dazumals zugelassen wurden, auch nicht die Betriebsbewilligung entziehen. Man würde ihnen einfach nicht mehr erlauben, überall durchzufahren. Solche Fahrverbote gibt es schon. Für Lastwagen, aber auch für Velos.
Übrigens könnte man mit modernen technischen Mitteln Plug-in Hybride in diesen lärmberuhigten Zonen erlauben, in dem der Gesetzgeber mittels Geofencing den Verbrennermotor ausschaltet. Die Lenkenden müssen einfach sicher sein, dass ihre Batterie noch genug Reichweite hat, bevor sie da rein fahren.
Dazu könnte man auch gewisse Reifen verbieten. Und per Gesetz nur noch lärmdämmende Beläge für Strassensanierungen erlauben.
Das Gejammere wird gross sein. Dieseldieter, die ASTAG, das Gewerbe, die Autofans und -freaks, die Töfffahrer – sie alle werden sie auf die Barrikaden steigen und eine neue Autopartei gründen wollen. Anstatt endlich die bessere und günstigere Antriebsform zu wählen, damit mehr Leute in Ruhe leben können. Und dürfen.
In Deutschland z. B. gibt es in den Städten Umweltzonen, wo solche Einschränkungen für bestimmte Fahrzeuge bereits gelten. Diese Zonen wurden zwar wegen der Feinstaubbelastung erlassen und sind nicht besonders streng, vom Grundsatz her sind aber auch diese Zonen ein Ein- und Durchfahrtsverbot für bestimmte Fahrzeugkategorien. Und das im Land der unbegrenzten Automöglichkeiten…
Die Zukunft ist elektrisch, die Gegenwart sollte es aber auch schon sein. Und die Wohnungsnot wäre gelindert.
PS Beim Gesetz über das AVAS bei Elektrofahrzeugen müsste man m.E. dringend nochmals über die Bücher. Renault Zoe ist das einzige Elektrofahrzeug, welches ich in meiner Wohnung immer höre. (https://de.wikipedia.org/wiki/Acoustic_Vehicle_Alerting_System)
Einige ausgewählte Links:
- https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/kriens-bundesgericht-verpflichtet-kanton-luzern-zu-mehr-laermschutz-ld.2436760
- https://zueriost.ch/news/2020-08-14/puff-besitzer-verhindert-bau-in-schwerzenbach
- https://www.zentralplus.ch/politik/warum-der-baarer-gemeindepraesident-unter-dem-laermschutz-leidet-1899945/
- https://www.nzz.ch/zuerich/bundesgericht-pocht-auf-besseren-laermschutz-neue-siedlung-mit-124-wohnungen-kann-nicht-gebaut-werden-ld.1662411?reduced=true
- https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/laerm/fachinformationen/auswirkungen-des-laerms/gesundheitliche-auswirkungen-von-laerm.html
- https://www.tcs.ch/de/camping-reisen/reiseinformationen/wissenswertes/fahrzeugvorschriften/umweltzonen-deutschland.php
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